Wer Höhlen erkunden will, braucht eine professionelle Ausrüstung, die mit aufeinander abgestimmten Komponenten diesen speziellen Bedingungen gerecht wird. Und genau danach hat der französische Höhlenforscher Fernand Petzl lange gesucht – und schlussendlich seine eigene Firma gegründet. Heute bietet das Unternehmen Petzl unter dem Motto »Access the inaccessible« (»Zugang zum Unerreichbaren«) Lösungen nicht nur für Höhlengeher und Outdoor-Aktivisten, sondern auch Seilzugangslösungen für Höhenarbeiter und -retter, persönliche Beleuchtung für Handwerk und Industrie sowie Ausrüstung für taktische Spezialeinheiten und Interventionskräfte. Die bauSICHERHEIT hat Petzl Deutschland im oberbayerischen Geretsried besucht, wo der Hersteller auch ein eigenes Schulungs- und Trainingscenter betreibt.
Im Seminar- und Schulungsraum, einem der wenigen abgetrennten Räume im ansonsten offen gestalteten Großraumbüro von Petzl Deutschland, hängen zahlreiche actiongeladene Bilder, die die Profiprodukte für Bergsport und Höhenarbeit in Aktion zeigen. Die Menschen, die sich mit der Ausrüstung haben fotografieren lassen, sind Mitarbeiter von Petzl, die allesamt die Leidenschaft des Firmengründers teilen – weil sie gerne sportlich aktiv und draußen sind, weil sie Hobby und Beruf vereint haben oder weil sie die Produkte selbst testen und ausprobieren wollen, denen später die Anwender womöglich ihr Leben anvertrauen.
Lösungen für Arbeiten in besonderer Umgebung
Mit dem Motto, das Unerreichbare erreichbar machen zu wollen, verbindet Petzl den Anspruch Unterstützer zu sein für alle Anwender, die im Bereich Höhenarbeit, in Rettungssituationen oder bei Arbeiten in dunklen Umgebungen im Einsatz sind. Der Hersteller will »die Lösungen anbieten, die in diesen Augenblicken benötigt werden«, heißt es zum Beispiel im Katalog-Vorwort. Ein Anspruch, den auch Christoph Driver, Country Manager Petzl Deutschland, leidenschaftlich vertritt. »Wir definieren unsere Mission so, dass Sicherheit und Nachhaltigkeit immer an erster Stelle stehen«, sagt er. »Als familiengeführtes Unternehmen müssen wir uns nicht an irgendwelchen Quartalszahlen entlanghangeln, sondern können uns auf die volle Unterstützung unserer Anwender konzentrieren. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern bringt uns auch inhaltlich voran«, ergänzt Driver, der selbst auch oft im Kletterseil hängt. Für Petzl ist er schon seit mehr als zehn Jahren tätig, die deutsche Niederlassung leitet er seit ihrer Gründung im Jahr 2014.
»Das Segment, in dem wir uns bewegen, ist enorm gewachsen«, erklärt Driver. »Mit einer eigenen Repräsentanz vor Ort sind wir da näher am Markt.« Speziell in Industrienationen wie Deutschland sei das einfach geboten_ »Wenn erst einmal eine Distanz entsteht zwischen dem Markt und dem Hersteller, wird es schwierig«, erläutert der Deutschland-Chef, der früher sowohl als selbstständiger Freelancer als auch festangestellt in börsennotierten Unternehmen tätig war. Für den Hersteller geht es insbesondere darum, seine Bekanntheit außerhalb der Freizeit-Kletter-Community bekannt zu machen. »Auf Messen wie der ›Outdoor‹ sind wir natürlich bekannt wie ein bunter Hund, wohingegen Fachmessen wie die ›A+A‹ uns zeigen, dass der Bereich ›Persönliche Schutzausrüstung‹ großes Potenzial bietet«, sagt Driver. National und international ist der Hersteller dabei auch auf Fachmessen präsent, bei denen es um Windenergie, Baumpflege oder Rettungswesen geht.
»Wir definieren unsere Mission so, dass Sicherheit und Nachhaltigkeit immer an erster Stelle stehen.«
Christoph Driver, Country Manager Petzl Deutschland
Weltweit auf Wachstumskurs
Weltweit ist das französische Unternehmen auf Wachstumskurs_ Vor sechs bzw. sieben Jahren wurden die Niederlassungen USA und Österreich gegründet, im Jahr 2014 kam außer der deutschen Dependance noch eine in Spanien hinzu. »Es ist heute für uns ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, dass wir weltweit mit allen Produkten gleich erfolgreich sind«, erläutert Driver. Das liegt einerseits daran, dass Petzl Lösungen anbietet, die weltweit einsetzbar sind und immer den jeweiligen Normen vor Ort entsprechen. »Andererseits treten wir auch nicht in jeden Wettbewerb – denn was andere schon sehr gut machen, müssen wir nicht kopieren«, zitiert er den derzeitigen Chef und Inhaber Paul Petzl.
Um das laut Driver »sehr spitze Portfolio« und die Möglichkeiten im Bereich »Persönliche Schutzausrüstung« (PSA) sowie »PSA gegen Absturz« bekannter zu machen, setzt Petzl einen hohen Anspruch auf die Repräsentanz in Deutschland, auch bei der personellen Ausstattung_ Insgesamt 15 Mitarbeiter sind in Geretsried beschäftigt und sorgen für die gewünschte Qualität in Sachen Betreuung und Kundenkontakt. Bei den Anwendern genießt die Marke Petzl zwar einen gewissen »Kult-Status«, trotzdem ist die Bindung an die Muttergesellschaft immer ein großes Anliegen. Das Vermitteln der eigenen Qualitätsansprüche nimmt da einen ebenso großen Stellenwert ein wie Schulungen im eigenen Trainingscenter, dem »Petzl Technical Institute« (PTI), oder der direkte Kontakt zu den Anwendern, für den der Hersteller ebenfalls einen beträchtlichen Aufwand betreibt und entsprechende Veranstaltungen besucht oder sogar selber ausrichtet.
»Für eine Zertifizierung unserer externen Partner gilt_ Regionale Kriterien spielen bei der Auswahl ebenso eine Rolle wie die Kernkompetenzen Seilzugangs- und Positionierungstechnik (SZP) oder Baumpflege und Kranbau.«
Marek Proba, Training Manager Petzl Professional und zuständig für das »Petzl Technical Institute« (PTI)
Kletter-Event für die Welt-Elite
Nicht zuletzt sind es Events wie der »Petzl Rope Trip«, die zum Kult-Status beitragen_ Alle zwei Jahre bringt der Hersteller seit 2012 mit der Veranstaltungsreihe weltweit und jedes Mal an einem anderen Ort die internationale Höhenkletterer-Elite auf den neuesten Stand. Gleichzeitig findet ein sportlicher Wettkampf statt, der in der Szene großes Ansehen genießt und die Möglichkeiten des seilgebundenen Höhenzugangs aufzeigt bzw. immer weiter vorantreibt. Dieses Jahr war die Veranstaltung in Duisburg zu Gast (siehe auch Kasten »Service« auf Seite 19), entsprechend war das Petzl-Team aus Geretsried für Planung und Organisation gefordert. Vergangene Veranstaltungen dieser Reihe wie im schwedischen Uppsala hatten zum internationalen Austausch beigetragen und laut Driver auch dazu, dass unterschiedliche Verbände sich an einen Tisch gesetzt und kleinere Differenzen beigelegt haben.
Dass die Arbeit der Höhenkletterer auf immer größere Akzeptanz stößt, spüren Christoph Driver und sein Team auch bei Events wie dem jährlich vom Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT) organisierten »FISAT-Technikseminar«, das zuletzt in Essen stattgefunden hat (die bauSICHERHEIT war vor Ort und hat berichtet in Heft 2/18, Seite 16). »Dass die Höhenarbeiter oftmals über Zusatzqualifikationen als Schweißer, Maler oder Maurer verfügen, macht sie auf der Baustelle effizient und ist auch unter Kostenaspekten interessant – wenn man bedenkt, dass ein sechsstündiger Einsatz eines Höhenarbeiters eine ganze Woche Gerüst einsparen kann«, rechnet Driver vor. Wenn es darum geht, welche Aufgaben- und Problemstellungen sich in welchem Umfeld mit Seilzugangstechnik lösen lassen, setzt Petzl auf eine »Open Door-Philosophie mit Hilfe in allen Lebenslagen«, sagt Driver.
Netzwerk aus zertifizierten Partnern
Für die Gefährdungsbeurteilung oder das Ermitteln und Bewerten der nötigen Anschlagpunkte stellt Petzl für derlei Projekte nicht nur Erfahrung und Praxiswissen seiner Außendienstler zur Verfügung: »Um trotz steigender Nachfrage der großen Verantwortung gerecht zu werden, haben wir 2016 mit der Entwicklung eines Partnerkonzepts begonnen«, erklärt er. Herausgekommen ist das nationale Netzwerk »Petzl Technical Partner« (PTP), das Trainingsanbieter nach erfolgreicher Qualifikation am PTI als geschulte Einrichtung hinsichtlich Petzl-Produktpalette und -Qualitätsanspruch zertifiziert. Übrigens musste auch Petzl Deutschland eine entsprechende Zertifizierung am Firmensitz im französischen Crolles durchlaufen. Für die externen Partner gilt_ »Regionale Kriterien spielen bei der Auswahl ebenso eine Rolle wie die Kernkompetenzen Seilzugangs- und Positionierungstechnik, kurz SZP, oder Baumpflege und Kranbau«, ergänzt Marek Proba, Training Manager Petzl Professional und zuständig für das PTI. Beide sind sich einig_ Innerhalb des Netzwerks geht es um gelebte Partnerschaft, den Austausch von Wissen und gemeinsame Trainingsangebote – »also um weit mehr als nur einen Aufkleber an der Tür«, sagt Driver. Teil des Dialogs sind natürlich Praxiserfahrungen zwischen Mitarbeitern weltweit, die laut Proba auch in den anderen Ländern meistens in ihrer Freizeit die Produkte selbst nutzen, und den externen Anwendern.
Die Früchte dieses Austauschs, den Petzl innerhalb jeder Landes-Niederlassung mit den Nutzern vor Ort pflegt, werden in der französischen Zentrale zusammengetragen und fließen in die Entwicklung neuer Produkte ein. Dort sitzen die Spezialisten in den Bereichen Mechanik, Textil, Elektronik, Optik und Datenverarbeitung, die Produkte wie die neue »Face2Face«-Blendschutzlampe (bauSICHERHEIT 12/17, Seite 44) entwickeln und auch gleich testen. »Ein Dauerthema ist natürlich der Ergonomie-Aspekt und die Frage, wie wir bei Gurten den Trage- und Hängekomfort verbessern und gleichzeitig für noch mehr Leichtigkeit sorgen können«, erklärt Christoph Driver. Den Zugang zum Unerreichbaren ermöglichen manchmal aber auch Neuerungen wie die Petzl-Sets für Kleinbetriebe_ Sie beinhalten eine Grundausstattung wie Gurt, Helm, Tasche und dergleichen und sind ebenso ein Ergebnis dieses Austauschs.
© Bilder_ bauSICHERHEIT / Jan Rieken (4), Fabian Simon (3)
Das Unternehmen
Das Abenteuer Petzl begann im Jahr 1936 mit Fernand Petzls Passion für die Höhlenforschung (Speläologie), für die er sein handwerkliches Talent einsetzte. So wurde der Grundstein für das Know-how in der Entwicklung und Herstellung von Lösungen zum Aufsteigen, Abseilen, Sichern und Fortbewegen bei Dunkelheit gelegt. 1970 wurden in einer Werkstatt in Saint-Nazaire-les-Eymes bei Grenoble (Frankreich) die ersten Produkte unter dem Namen »Fernand Petzl« hergestellt. Seither hat sich die 1975 im benachbarten Crolles gegründete Firma Petzl vergrößert und sich zu einer weltweit agierenden Gruppe mit insgesamt etwa 900 Mitarbeitern entwickelt. Bis heute ist das Familienunternehmen von der gleichen Leidenschaft angetrieben wie einst Fernand Petzl. Das Sortiment umfasst Lösungen für verschiedene Bereiche_ Outdoor-Aktivitäten (Klettern, Bergsteigen, Skitouren oder auch Klettersteiggehen), Höhenarbeit (Zugang mit Seil, Baumpflege, Energie, schräge Flächen), Rettung, persönliche Beleuchtung für Handwerk, Wartung und Industrie sowie Ausrüstung für taktische Spezialeinheiten und Interventionskräfte.
»Petzl Rope Trip«
- Alle zwei Jahre kommen Industriekletterer und Seilzugangstechniker aus der ganzen Welt zusammen, um sich beim »Petzl Rope Trip« miteinander zu messen. Die inoffizielle Weltmeisterschaft der Industriekletterer hat dieses Jahr im Juni zum ersten Mal in Deutschland im Landschaftspark Duisburg-Nord stattgefunden. Marek Proba vom Petzl-Organisationsteam: »Die Industriekulisse mit den beeindruckenden, hohen Türmen und alten Industrieanlagen bot alle Möglichkeiten, von denen wir als Wettkampf-Ausrichter nur träumen können.«
- An drei Wettkampftagen bekletterten die Teilnehmer die einmaligen Strukturen des Parks und haben sich in Aufgaben gemessen, die an ihren Arbeitsalltag – das Arbeiten in großen Höhen an Gebäuden, Fassaden und großen Bauwerken – angelehnt waren. Die insgesamt 120 Wettkampfteilnehmer kamen aus 16 Ländern, Sieger wurde das Team »RAT« aus Kanada. Neben dem sportlichen Kräftemessen geht es bei der Veranstaltung auch um fachlichen Austausch und Netzwerken. In einem begleitenden Symposium mit 100 weiteren Teilnehmern gab es Workshops, die von Referenten aus Wissenschaft, Praxis, Berufsgenossenschaft und Herstellern geleitet wurden.
- Den »Petzl Rope Trip« gibt es seit 2012, er findet alle zwei Jahre statt. Bisherige Veranstaltungsorte waren Crolles (Frankreich), Uppsala (Schweden) und Salt Lake City (USA). Der Veranstaltungsort für 2020 steht noch nicht fest.