Sicherheit hat einen höheren Stellenwert als je zuvor
Corona ist mit geballter Kraft zurück. Erneut zwingen uns drastische Schutzmaßnahmen in die Defensive, wohlwissend, dass die nunmehr vierte Welle zeitnah gebrochen werden muss – ganz gleich welch’ erneute Kraftanstrengung das bedeutet. Fakt ist aber auch, dass die bisherigen Prognosen für 2022 vorerst über den Haufen geworfen sind: Die ersten Messeveranstaltungen werden schon wieder abgesagt. Aber wie in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Bauwirtschaft einmal mehr als Fels in der Brandung gezeigt: Sie stampft wie eine eiserne Dampflok durch die Pandemie, während dieser Winter andere Branchen auf das Abstellgleis rangiert. So sind laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC 75 Prozent der Bauunternehmen auch jetzt kaum von Covid-19 betroffen und kommen eigenen Angaben zufolge weiterhin gut durch die Krise. Zeigen wird sich laut Experten jedoch erst im Frühjahr, welche Auswirkungen der Winter tatsächlich auf die Gesamtwirtschaft hat
Präsenzmesse ja – Unbekümmertheit nein
Die A+A 2021 öffnet ihre Tore und kehrt in Zeiten von Corona als eine der ersten Großveranstaltungen auf das langersehnte Parkett der Arbeitsschutz-Branche zurück. Und es wirkt tatsächlich wie die Rückkehr zur Normalität – zumindest so lange, bis die Schutzmaske gezückt, der Impfnachweis vorgelegt und der Desinfektionsspender betätigt wurde. Fakt ist, es wird anders sein: Abstandsregeln auf den Gängen, begrenzte Personenzahlen auf den Ausstellungsflächen und geöffnete Türen zur Belüftung der Hallen zeichnen ein klares Bild. Als Veranstalter zeigt sich die Messe Düsseldorf zwar optimistisch, ist sich ihrer Verantwortung aber dennoch bewusst: »Ungeachtet der großen Vorfreude auf das Messeerlebnis und der Dankbarkeit dafür, dass wir 1150 Aussteller aus über 56 Ländern zusammenbringen konnten, wissen wir, dass der Schutz der Menschen höchste Priorität hat«, so Birgit Horn, Project Director A+A bei der Messe Düsseldorf.
Der Staat und sein Kontrolldefizit
Auf dem Papier einsame Spitze – in der Realität kaum existent: Wenn es um Vorgaben und Richtlinien für die Bauwirtschaft geht, erweist sich Deutschland als unermüdlicher Streber, der seinen erhobenen Zeigefinger bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Himmel streckt. Mit Blick auf die Umsetzung von Regeln und der damit einhergehenden Notwendigkeit, Baustellen auch tatsächlich zu überprüfen, wirkt der Staat dagegen oft überfordert – fast schon gelähmt. Dabei bietet die Baubranche eine vielschichtige Spielwiese für Kontrollmaßnahmen: Während der Zoll gegen den missbräuchlichen Bezug von Leistungen, Verstöße gegen die Lohnuntergrenze sowie organisierte Schwarzarbeit vorgeht, können typische Baukontrolleure kostspielige Baumängel aufdecken und Arbeitsschutz-Kontrollen unter Umständen Leben retten. Letztere werden nämlich in der Regel vom Gewerbeaufsichtsamt bzw. dem Amt für Arbeitsschutz verantwortet – häufig anzutreffen ist aber auch die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), was das Kontrolldefizit des Staates ob der gewaltigen Zahl an Baustellen in Deutschland aber nicht annähernd wettmacht. Denn so engagiert die Arbeit der Berufsgenossenschaft in diesem Zusammenhang auch ist – sie erweist sich in so mancher Hinsicht als Tropfen auf den heißen Stein
Der Sommer und seine Tücken
Wettertechnisch hat er lang auf sich warten lassen, nach meteorologischer Zeitrechnung ist er jetzt aber unabdingbar – der Sommer. Und damit einher geht, wie im vergangenen Jahr, dass uns niedrige Inzidenzzahlen und ein Voranschreiten der Impfkampagne ein kleinwenig mehr Freiheit schenken. Für die Bauwirtschaft bedeuten die Sommermonate hingegen Hochbetrieb: Bestes Bauwetter und prall gefüllte Auftragsbücher lassen auf gute Umsätze hoffen – wären da nicht Materialknappheit und zunehmende Lieferengpässe, die uns bei voller Fahrt ausbremsen.
Die Auswirkungen der Krise – eine Bestandsaufnahme
In Zeiten von Corona sind Zahlen das Maß der Dinge: Die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz klingt für uns ebenso vertraut, wie die Frage nach der Anzahl täglicher Neuinfektionen. Zur Abwechslung gibt es aber auch erfreuliche Werte zu verkünden: Die Zahl der Arbeitsunfälle ist 2020 nämlich um 12,8 Prozent auf 760 369 gesunken. Grund dafür sind in erster Linie die vielen Einschränkungen und Schutzmaßnahmen der noch immer andauernden Covid19-Pandemie. Einen noch deutlicheren Rückgang registrierte die DGUV bei den Wegeunfällen: Auf dem Weg zur Arbeit oder zurück nach Hause ereigneten sich demnach 152 773 Unfälle – rund 18,2 Prozent weniger als noch 2019. Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Übrigen auch bei tödlichen Unfällen ab: 2020 starben 397 Menschen durch einen Arbeitsunfall und damit 100 weniger als im Vorjahr. »Die vorläufigen Zahlen sind ein Abbild der Corona-Krise«, so Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV.
Irgendwas zwischen Zerreißprobe und Optimismus
Murphys Gesetz besagt zwar, dass »alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird«, selbiges sollte dann aber auch für das Gute gelten. Die CoronaPandemie hat uns gezeigt, dass Plan A nicht immer der Richtige ist. Die Dynamik dieser Krise zwingt uns dazu, Entscheidungen zu Lasten anderer zu treffen, wohlwissend, dass Plan B oder C genauso falsch oder richtig sein könnte. Stand heute ist: Um einen Ermüdungsbruch der Wirtschaft zu verhindern, braucht es ein konsequentes Gegensteuern seitens der Bundesregierung. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass der Umgang mit dem Corona-Virus einem Tanz auf dem Drahtseil gleicht: Einerseits müssen wir die Infektionszahlen niedrig halten, um die Intensivstationen vor der drohenden Überlastung zu bewahren. Andererseits können zahlreiche Branchen nach mehr als einem Jahr keinen weiteren Lockdown mehr verkraften. »Wir werden einander viel verzeihen müssen«, hieß es schon zu Beginn der Krise – und damit soll Bundesgesundheitsminister Jens Spahn leider Recht behalten. Fakt ist aber auch, dass uns COVID-19 weiterhin ein großes Improvisationstalent abverlangt und wir in so mancher Situation erst viel später wissen, was es tatsächlich zu verzeihen gilt.