3G Kompetenzzentrum: Norm für Zurrpunkte neu aufgelegt

Die Zurrpunkte-Norm DIN EN 12640:2020-05 ersetzt nach fast 20 Jahren nunmehr die bisherige deutsche Norm DIN EN 12640:2001-01. Darin werden die Mindestanforderungen und Prüfungen von Zurrpunkten zur Ladungssicherung geregelt. Auf die mit der Novellierung verbundenen tief greifenden Änderungen hat jetzt das 3G Europäisches Kompetenzzentrum Ladungssicherung in Fulda hingewiesen.

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Die neue Norm bezieht sich nicht mehr wie bisher nur auf Zurrpunkte an Nutzfahrzeugen. Nun werden auch bestimmte intermodale Ladeeinheiten erfasst. Aus dem Englischen entlehnt, werden Nutzfahrzeuge und intermodale Ladeeinheiten in der aktuellen Norm unter dem Begriff CTU (Cargo Transport Unit), also Güterbeförderungseinheit, zusammengefasst. Der in der Norm bezeichnete Adressatenkreis der CEN-Mitglieder (Europäisches Komitee für Normung) vergrößert sich. Unter anderem kommen jetzt auch bisher in der Norm nicht aufgeführte Drittstaaten wie etwa  die Türkei, die Republik Nordmazedonien und Serbien hinzu. Es wurden zahlreiche Begriffe und Definitionen präzisiert und aktualisiert, Inhalte hinzugefügt, Nachweise angepasst und Prüfverfahren ergänzt. Neue Abschnitte und Anhänge wurden geschaffen.

Wichtige Änderungen

Die von dieser Norm erfassten CTU werden im Anwendungsbereich klar von denen anderer Normvorgaben abgegrenzt. So werden unter anderem Fahrzeuge nach ISO 27956 (Lieferwagen, Kastenwagen) ausgenommen. Die DIN ISO 27956 selbst enthält eigene Zurrpunkt-Vorgaben für Nutzfahrzeuge bis zu einer zGM von 7,5 t im Hinblick auf Festigkeiten, Ausgestaltung und deren Anordnung. Trotzdem werden in der DIN EN 12640:2020-05 jetzt auch Mindestzurrkräfte für Fahrzeuggesamtmassen bereits ab 750 kg normiert. In der Vorgängerversion DIN EN 12640:2000 waren nur Nutzfahrzeuge ab 3 500 kg zGM erfasst.

Die Zurrwinkel sind neu beschrieben, begrifflich präzisiert worden und in einem übersichtlichen Schaubild klar nachvollziehbar dargestellt. Wichtigste Änderung ist dabei die Relativierung der bisher festgelegten mindestens 30° des Zurrwinkels , also des Vertikalwinkels zwischen Ladefläche und Zurrmittel. Dieser Mindestwinkel führte in der Vergangenheit immer wieder zu Unsicherheiten dahingehend, dass besonders bei verschiedenen Arten der Direktzurrung. unter Einhaltung dieser mindestens 30°, auf wirksame Ladungssicherungsmethoden verzichtet werden musste.

Gerade bei Umreifungen des Ladegutes oder seitlichen sog.Buchtlashings war dieser Winkel oft nicht einzuhalten. Es stellte sich deshalb die Frage, ob die Zurrpunkte insbesondere der Einleitung von Kräften in seitlicher Richtung konstruktiv im Grenzbereich standhalten konnten. Nunmehr ist dieses Problem entschärft und eine normgerechte Anbringung der Zurrmittel bei zertifizierten CTU – jetzt auch bei geringeren Vertikalwinkeln – gewährleistet.


Mehrpunktsysteme

An den aktuellen technischen Standard in der Fahrzeug- und Ladungsträgerkonstruktion angepasst, befasst sich die neue DIN EN 12640:2020-05 nun auch mit sog. Mehrpunkt-Zurrsystemen wie beispielsweise Zurrschienen oder seitliche Lochleisten und nicht wie bisher nur mit einzelnen Zurrpunkten. Auch die kombinierte Verwendung von einzelnen Zurrpunkten in Verbindung mit ggf. vorhandenen Zurrpunktsystemen wird nun thematisiert. Hinsichtlich der Mehrpunkt-Zurrsysteme wird zielführend angegeben, wie viele Zurrmittel pro laufenden Meter dabei eingehängt werden können, um die hierbei geforderten Höchstbelastbarkeiten nicht zu überschreiten.

Passend hierzu wurde ein „Referenzhaken“ neu definiert, der zu den entsprechend normgerecht zertifizierten Zurrpunkten passen sollte. Hierbei handelt es sich um einen doppelten Spitzhaken, angelehnt an das Muster D 6 der DIN EN 12195-2. Natürlich können auch andere passende Haken in der Transportpraxis verwendet werden. Auch im Hinblick auf die Anzahl, Anordnung und Abstände der Zurrpunkte wurde die EN 12640:2019 weiterentwickelt. Während die geforderten Abstände der Zurrpunkte zueinander und zu den vorderen und hinteren Stirnwänden der CTU weiterhin exakt definiert sind, werden die seitlichen Abstände zu den Laderaumkanten nun nicht mehr mit genauen Maßangaben beschrieben. Die zulässigen Abstände der Zurrpunkte zueinander in Längsrichtung sind verkürzt worden und es wird hierbei jetzt auch eine Regelmäßigkeit der Abstände untereinander gefordert. Die Berechnungsformel zu den Abständen der Zurrpunkte zueinander wurde dementsprechend angepasst. Darüber hinaus gibt die neue Norm die Möglichkeit vor, zusätzlich optionale Zurreinrichtungen anbringen zu können. Auch diese optionalen Zurrpunkte sind dann künftig bei der normgerechten Prüfung und Kennzeichnung zu berücksichtigen.

Prüfverfahren

Insgesamt ist auch das Prüfverfahren zur Belastbarkeit der Zurrpunkte oder Zurrpunktsysteme weiterentwickelt worden. Es wird jetzt eine zweifache Prüfung mit jeweils unterschiedlich einzuleitenden Kräften in die verschiedenen Punkte und Systeme gefordert. Für die Prüfung von Einzel-Zurrpunkten ist der Referenzhaken zu verwenden. Die Prüfung von speziellen optionalen Zurrpunkten oder von Mehrpunktzurrsystemen ist mit den dafür vorgesehenen Zurmitteln vorzunehmen. Die Vorgaben an die Kennzeichnung der CTU hinsichtlich der vorhandenen Zurrpunkte und -einrichtungen wurden an die neue Norm angepasst und die Mindestgröße der zu verwendenden Kennzeichnungsschilder in ihrer Dimension dabei deutlich verringert.

Zur größeren Anwendersicherheit werden nun weitergehende Informationen in den Bedienungsanleitungen zu den unterschiedlichen Zurrvorrichtungen der normgerechten CTU gefordert. Völlig neu ist, dass die Hersteller den Anwendern auch Vorgaben für die Wartung und Instandhaltung der jeweils vorhandenen Zurrvorrichtungen zur Verfügung stellen müssen.

Ein Fazit

Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass die Weiterentwicklung der DIN EN 12640:2020-05 künftig zu mehr inhaltlicher Bestimmtheit, einem praktikableren Anwenderbezug und auch zu größerer Rechtssicherheit in deren direkter Umsetzung führen sollte. Demgegenüber sind die Änderungen und Erweiterungen gleichzeitig sehr komplex, vielschichtig und umfänglich. Hier wird bei Herstellern, Prüfern, Anwendern und auch bei den Kontrollorganen ein hohes Maß neuer Vorgaben zu berücksichtigen sein, die einer geführten und koordinierten Umsetzung in der jeweiligen Neubefassung mit der Norm bedürfen werden. Das gilt auch für das Zusammenwirken der Neuerungen mit bereits bestehenden Normen und Vorgaben im Bereich Ladungssicherung für den gewerblichen Güterverkehr.

Hoher Schulungsbedarf

Die Neufassung zur DIN EN 12640:2020-05 wird aktuell einen hohen Schulungsbedarf zur Vermittlung der anspruchsvollen Neuerungen dieser Norm mit sich bringen. Zu diesem Thema informiert das 3G Europäisches Kompetenzzentrum Ladungssicherung in Fulda im Rahmen des nächsten 3G Logistik-, Trainer- & Beratertags. Zu der praxisbezogenen Anwender- und Trainerfortbildung sind auch die Kontrollbehörden eingeladen. Der Termin findet voraussichtlich am 15. September im 3G in Fulda statt.   J

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