Über 21 000 Sturz- oder Absturzunfälle gingen laut der Berufsgenossenschaft (BG) Bau 2017 in die Unfallzahlen-Statistik ein. Eine Vielzahl dieser Arbeitsunfälle hat schwere Verletzungen zur Folge oder endet gar tödlich. Um Absturzunfälle mit betrieblicher Steigtechnik möglichst zu vermeiden, haben Unternehmer im Sinne der Arbeitssicherheit einige Pflichten zu erfüllen.
Dabei ist besonders wichtig: Die Steighilfen müssen regelmäßig auf ihren ordnungsgemäßen Zustand überprüft und die Mitarbeiter im Umgang geschult werden. Wie das in der Praxis korrekt umgesetzt wird, weiß Steigtechnikproduzent Hymer-Leichtmetallbau.
Wichtiges Regelwerk für die Überprüfung
Mit der Reform der Leiternorm EN 131, die seit Januar 2018 final in Kraft getreten ist, wurden die Vorgaben für Konstruktion und Produktion von tragbaren Leitern für die Hersteller nochmals verschärft. Doch auch für Unternehmer, die ihren Mitarbeitern diese Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, gibt es zahlreiche Vorschriften. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bildet dabei in Deutschland die Grundlage für die Richtlinien, die unter anderem besagen, dass eingesetzte Leitern, Tritte, Arbeits- oder Schutzgerüste regelmäßig geprüft werden müssen.
Wichtige Schwerpunkte in diesem Gesetz werden durch Verordnungen konkretisiert. So beschreibt zum Beispiel die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) die Verwendung von Arbeitsmitteln genauer. Neben der Betriebssicherheitsverordnung für die Bereitstellung und Verwendung von Arbeitsmitteln sind ergänzend die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2121-2 »Gefährdung von Beschäftigten bei der Verwendung von Leitern« zu berücksichtigen, die jüngst überarbeitet und verschärft wurden.
Weitere detaillierte Erläuterungen der Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung finden sich außerdem in technischen Regeln und Handlungsanleitungen. Die zutreffende Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten ist die DGUV-Information 208-016 (ehemals BGI 694), für den Umgang mit Fahrgerüsten gilt die DGUV-Information 201-011 (ehemals BGI 663). »Die aktuellen Vorgaben durch die Informationen der DGUV für den betrieblichen Einsatz von Steigtechnik schreiben eindeutig eine wiederkehrende Sicht- und Funktionsprüfung vor. Konkret bedeutet dies, dass die betriebliche Steigtechnik regelmäßig auf ihren ordnungsgemäßen Zustand überprüft und die Mitarbeiter entsprechend im Umgang geschult werden müssen«, erläutert Michaela Weber, im Marketing bei Hymer-Leichtmetallbau.
Wie wird man zum Leiterbeauftragten?
Paragraf 14 in Abschnitt 2 der BetrSichV besagt, dass betrieblich genutzte Steigtechnik durch eine »zur Prüfung befähigte Person“ zu kontrollieren ist«. Gemäß Abschnitt 1, Paragraf 2 ist dies »eine Person, die durch ihre Berufsausbildung, ihre Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügt«. Eine konkrete Ausbildung schreibt der Gesetzgeber nicht vor. Um die vorausgesetzten Kenntnisse zu erwerben, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ein Weg ist das VDSI-anerkannte »Seminar zur wiederkehrenden Prüfung von Leitern, Tritten und Fahrgerüsten (gem. BetrSichV, TRBS 2121-1 bzw. -2 sowie DGUV-Information
208-016 bzw. 208-011)«, das Steigtechnikexperte Hymer-Leichtmetallbau am Firmensitz in Wangen im Allgäu regelmäßig anbietet.
Während des eintägigen Kompaktseminars vermittelt Diplom-Ingenieurin (FH) Petra Liebsch, wie die Arbeitsmittel korrekt geprüft, aber auch, wie Leitern, Tritte und Fahrgerüste bestimmungsgemäß und sicher eingesetzt werden. Die Teilnehmer dieser Weiterbildung sind anschließend befähigt, eine ordnungsgemäße Prüfung der betrieblichen Standardsteigtechnik durchzuführen. Wichtig zu wissen: Bei der betriebsinternen Prüfung unterliegt der befähigte Leiterbeauftragte keinerlei Weisungen und entscheidet eigenverantwortlich über die weitere Nutzung oder den Austausch der Arbeitsmittel.
Die Fristen sollen sich nach der Beanspruchung richten
Wie häufig die betriebliche Steigtechnik zu prüfen ist, wird in den relevanten Handlungsanleitungen nicht eindeutig festgelegt. Die Fristen für erneute Sichtung der Arbeitsmittel sollen sich nach den jeweiligen Betriebsverhältnissen richten, also der Nutzungshäufigkeit, der Beanspruchung bei der Benutzung sowie der Häufigkeit und Schwere festgestellter Mängel bei vorangegangenen Prüfungen. Paragraf 3 in Abschnitt 2 der BetrSichV verpflichtet den Unternehmer zu einer Gefährdungsbeurteilung, bei der Risiken ermittelt und entsprechende Schutzmaßnahmen definiert werden müssen.
Neben der Auswahl der für die einzelnen Tätigkeiten geeigneten Arbeitsmittel ist darin auch eigenständig festzulegen, wie häufig die Prüfung der Steigtechnik notwendig und sinnvoll ist. »Je häufiger und intensiver eine Leiter also im Einsatz ist, umso häufiger sollte sie auch überprüft werden«, erläutert Michaela Weber den Sachverhalt. »Um Unfälle durch nicht mehr funktionstüchtige Steigtechnik zu vermeiden, empfehlen wir, die betriebliche Steigtechnik bei regulärer Belastung mindestens einmal im Jahr – bei intensiver Nutzung auch häufiger – genau zu untersuchen.«
Zusätzlich wichtig: Trotz regelmäßiger Prüfung durch die befähigte Person sollte sich jeder Benutzer vor jedem Einsatz des Arbeitsmittels eigenständig durch eine Sichtprüfung von Eignung und Zustand des Arbeitsmittels überzeugen.
Die mangelnde Sorgfalt hat häufig Folgen
»Ganz abgesehen vom Unfallrisiko für den Anwender, kann mangelnde Sorgfalt im Umgang mit den Arbeitsmitteln vermeidbare Folgen haben«, betont Michaela Weber. »Erfährt die BG Bau, dass Steighilfen nicht geprüft werden, wird die Prüfung in der Regel angewiesen und nachkontrolliert. Den betreffenden Betrieb wird die BG Bau in der darauffolgenden Zeit sicher ganz genau im Auge behalten.«
Kommt es zu einem Unfall, kann der Unternehmer zur Verantwortung gezogen werden. Im schlimmsten Fall lehnt die DGUV zudem ab, für die Unfallfolgekosten aufzukommen, sofern ersichtlich ist, dass aufgrund mangelnder Prüfungen beschädigte Leitern oder Gerüste im Einsatz waren.
Prüfbuch als praktische Hilfestellung
Zum Ablauf einer Sicht- und Funktionsprüfung macht der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben, zumal jeder einzelne Leitertyp seine spezifischen Merkmale hat. Hymer-Leichtmetallbau unterstützt die Leiterbeauftragten mit einem praktischen Arbeitsdokument: »Wir haben ein Prüfbuch gestaltet, das nicht nur einen Leitfaden zur korrekten Durchführung liefert, sondern sich auch für die Dokumentation der erfolgten Steigtechnikprüfungen eignet«, stellt Michaela Weber das »Hymer-Prüfbuch« vor, das zum Download auf der Website der Aluminiumspezialisten aus Wangen bereitsteht.
Mit Checklisten alles im Blick behalten
Generell ratsam ist es, den Bestand aller eingesetzten Steighilfen aufzulisten und fortlaufend aktuell zu halten – samt Informationen zum Leitertyp, dem Material wie auch der Sprossen- oder Stufenzahl usw. Auch für eine solche Bestandsliste bietet das Prüfbuch mit dem Formblatt zur Überprüfung von Leitern und Tritten eine durchdachte Vorlage. In Paragraf 14 von Abschnitt 2 schreibt die BetrSichV vor, dass das Ergebnis jeder Prüfung dokumentiert und mindestens bis zur nächsten Prüfung aufbewahrt werden muss. »Bei der Sicht- und Funktionsprüfung lassen sich die einzelnen Prüfkriterien beispielsweise anhand der im Prüfbuch integrierten Checkliste nach und nach abarbeiten und parallel gleich dokumentieren«, erläutert Michaela Weber. Schäden und Gebrauchsspuren an einer Leiter sind jedoch nicht immer eindeutig. Oft stehen die prüfenden Personen vor der schwierigen Frage, ob der sichtbare Schaden an einer Leiter so groß ist, dass diese aussortiert werden muss. »Auch wenn unser Prüfbuch dem Leiterbeauftragten eine ertvolle Hilfestellung bietet, macht die Teilnahme an unseren Seminaren in jedem Fall Sinn«, erzählt Michaela Weber. »Anhand von diffizilen Anschauungsobjekten stellen wir darin grenzwertige Fälle schadhafter Leitern vor. Die Teilnehmer haben so einen praxisnahen Lernerfolg, der sie dabei unterstützt, später allein im Betrieb eine zielgenaue Entscheidung für die Sicherheit der Mitarbeiter treffen zu können.«D