bauSICHERHEIT: Herr Reid, das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren vor allem im Hinblick auf den Klimawandel an Dynamik gewonnen und wird sicherlich auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Gore?
Neilsen Reid: Seit knapp 40 Jahren arbeiten wir daran, Nachhaltigkeit in Einklang mit höchstem Schutz und Tragekomfort zu bringen und so unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Nachhaltigkeit bei Gore umfasst deswegen ein breites Spektrum an Initiativen und konkreten Maßnahmen, die in verschiedenen Schlüsselbereichen den Schutz der Menschen und des Planeten sowie die Verlängerung der Produktlebensdauer zum Ziel haben. Wir betrachten und berücksichtigen dabei unterschiedliche Bedürfnisse – die des Einzelnen, der Gesellschaft, unseres Unternehmens und unserer Umwelt – und machen in allen Bereichen kontinuierlich Fortschritte. Unsere Philosophie ist es, durch nachhaltige Innovationen Mehrwert zu schaffen und gleichzeitig die Umweltauswirkungen unseres Unternehmens und unserer Produkte zu minimieren.
Angesichts der Komplexität und der Dynamik des Themas betrachten wir Nachhaltigkeit als eine Reise. Kein einzelnes Unternehmen ist in der Lage, alle Antworten zu geben. Wie jedes andere Unternehmen sind auch wir auf die Zusammenarbeit mit einem breiten Spektrum von Interessengruppen und Fachleuten angewiesen, die uns informieren und unterstützen.
bauSICHERHEIT: Nun haben wir über die internen Strategien und Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit gesprochen. Interessant ist für unsere Leser aber auch, wie sich Gore außerhalb der eigenen Produktion oder Produktlinien für mehr Nachhaltigkeit in der Branche einsetzt. Können Sie uns hier einen Einblick geben?
Neilsen Reid: Wir sind Mitglied der Sustainable Apparel Coalition (SAC), einer globalen Organisation, deren Mitglieder rund 40 Prozent der weltweiten Bekleidungs- und Schuhindustrie repräsentieren. Eine der wichtigsten Aktivitäten der SAC ist die Entwicklung, Förderung und Nutzung mehrerer branchenweiter Instrumente, darunter der Higg Material Sustainability Index (MSI), das Higg Facility Environmental Module (FEM) und das Higg Facility Social and Labor Module (FSLM). Diese Tools ermöglichen es Marken, Einzelhändlern und Betrieben aller Größenordnungen, die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens oder Produkts in jeder Phase ihrer Entwicklung genau zu messen und zu bewerten. Sie messen die soziale und ökologische Leistung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und liefern einen ganzheitlichen Überblick, sodass Unternehmen sinnvolle ökologische und soziale Verbesserungen vornehmen können. Eine weitere Initiative, in der wir uns engagieren, ist die Ellen MacArthur Foundation. Ihr Ziel ist es, Innovation und Zusammenarbeit in der Textilindustrie anzuregen, um einen Wandel im Einklang mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft zu bewirken.
bauSICHERHEIT: Zum jetzigen Stand hat eine nachhaltige und umweltfreundliche Produktion trotz aller Maßnahmen sicher Grenzen. Wo liegen diese Ihrer Meinung nach?
Neilsen Reid: Globale Lieferketten sind komplexe Systeme, die darauf ausgerichtet sind, vorhandene Materialien, Technologien und Infrastrukturen zu nutzen. Große Veränderungen erfordern erhebliche Investitionen in den Aufbau einer neuen Infrastruktur – die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen ist ein solches Beispiel. Die Verbrauchernachfrage oder die Regierungspolitik müssen solche Investitionen belohnen, wenn der Wandel beschleunigt werden soll. Das ist keine einfache Aufgabe, es bedarf Kreativität und Innovationen, um sie zu lösen. Mit einer sorgfältigen Planung und einem langfristigen Engagement für Nachhaltigkeit sehen wir aber viele Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu meistern und die Vorteile nachhaltiger Praktiken zu nutzen.
bauSICHERHEIT: Die Produkte von Gore kommen bei zahlreichen Herstellern in der Workwear-Branche zum Einsatz. Nun ist es so, dass Arbeitskleidung und PSA insbesondere auf Baustellen häufig extremen Bedingungen ausgesetzt sind. Wie geht Gore mit dem Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf das Endprodukt um bzw. wie können Gore-Produkte dazu beitragen, die Nachhaltigkeit von Berufsbekleidung zu erhöhen?
Neilsen Reid: Laut Ökobilanz ist der Umwelteinfluss eines Produkts umso geringer, je länger es haltbar ist. Denn je länger es getragen wird, desto weniger Produkte müssen neu hergestellt werden. Aus diesem Grund sind wir bestrebt, gebrauchstaugliche Technologien zu entwickeln und zu liefern, die so konzipiert sind, dass sie über ihre gesamte Lebensdauer hinweg eine gleichbleibend hohe Schutzleistung bieten. Um die Auswirkungen auf die Umwelt weiter zu reduzieren, forschen wir an Materialien, die beispielsweise CO2-Emissionen oder den Wasserverbrauch noch weiter senken. Bei der Herstellung der wasserdichten, winddichten und atmungsaktiven »Soft Gore-Tex Shell«-Technologie beispielsweise sparen wir durch die Langlebigkeit der Materialien, die Verwendung von Textilien aus recycelten PET-Flaschen und die Nutzung eines textilen Rundstrick- und Spinndüsenfärbeverfahrens 54 Prozent CO2 und 64 Prozent Wasser und können zudem den Einsatz von Chemikalien reduzieren.
bauSICHERHEIT: Vor Kurzem hat Gore die neue Obermaterialtechnologie »Extraguard« vorgestellt. Welche Aspekte zeichnen das Material aus und wie passt die Technologie in die Nachhaltigkeitsstrategie von Gore?
Neilsen Reid: Die »Extraguard«-Obermaterialtechnologie ist eine Innovation im Bereich Sicherheitsschuhe. Ziel war es, ein Obermaterial zu entwickeln, das robuste, wasserdichte, schnell trocknende und gleichzeitig dauerhaft leichte Sicherheitsschuhe für den Einsatz bei extremen Wetterbedingungen ermöglicht. Gleichzeitig mit der Verbesserung dieser wichtigen Aspekte des Tragekomforts bietet das »Extraguard«-Obermaterial ein gutes Beispiel für unsere Maßnahmen zur Verringerung des Umwelteinflusses unserer Technologien: Bei deren Herstellung werden weniger Chemikalien verwendet als bei der herkömmlicher Obermaterialien, Wasserverbrauch und CO2-Emissionen sind geringer als bei Sicherheitsschuhen aus herkömmlichen, sehr robusten Obermaterialien. Genau diese Art von Innovation sehen wir als großartige Möglichkeit für uns als Innovator im Bereich Performance-Bekleidung, Fortschritt auf mehreren Ebenen zu beschleunigen: gleichzeitig die Performance von Produkten verbessern und Nachhaltigkeitsziele voranzutreiben.