Auf den Knopf drücken, sich Kleidungstücke für den Job nach Wahl ausdrucken lassen, anziehen, fertig? Soweit ist es noch nicht. Allerdings gibt es interessante Ansätze, wenn es um das Thema Berufskleidung aus dem Drucker geht. Doch wie ausgereift ist diese Technik? Experten bremsen den Enthusiasmus, machen hier deutlich, dass dem Drucken die erfolgreiche Technik des Webens gegenübersteht, die bereits 32 000 Jahre alt ist – und immer weiterentwickelt wurde.
»Im Gegensatz zu dieser Technik steckt der 3D-Druck noch in den Kinderschuhen und kann die positiven Eigenschaften klassischer Gewebe derzeit nicht dazustellen«, erklärt Jan Kuntze, Geschäftsführer des DBL-Vertragswerkes Kuntze & Burgheim Textilpflege. »Dies betrifft etwa die Flexibilität, die Optik oder auch die Wasserdampf-Permeabilität.« Vorstellbar ist laut dem Experten allerdings, dass bestimmte Elemente der Berufskleidung, wie etwa Stoßdämpfer, Polster oder auch Verschlusssysteme künftig im 3D-Druck entstehen könnten.
Einzelne Elemente ja – Fläche nein
Gedruckte Fläche, die es mit den Eigenschaften gewebter Kleidung aufnimmt, sieht Kuntze bislang in der Praxis noch nicht realisiert – auch wenn es hier schon Versuche gibt. So ist das schnellste flächenbildende Verfahren für Gewebe, das bereits per 3D-Druck funktioniert, das Vlies. Allerdings lässt dessen Performance noch zu wünschen übrig. »Diese gedruckten Vliese fühlen sich auf der Haut seifig glatt an, sind also wenig angenehm zu tragen. Sie fallen zudem aufgrund der fehlenden Strukturen sackartig aus, wirken auch optisch wenig attraktiv«, befindet Textilingenieur Kuntze, für den der 3D-Druck von Gewebe noch nicht mit klassischen Herstellungsmethoden konkurrenzfähig ist.
Schließlich spielten bei der Herstellung von Kleidung immer noch die Kunst der Schnittgestaltung eine wesentliche Rolle. Sprich, wie ein Gewebe zugeschnitten wird. Denn das hat Einfluss darauf, wie das Kleidungsstück sitzt. Vorteile sieht der Experte so weder bei den Produktionskosten noch bei der Geschwindigkeit der neuen Druckverfahren. »Allein das Thema Individualisierung und der damit einhergehende Bedarf an geringeren Stückzahlen könnte hier für Nachfrage sorgen. Bis dahin sind aber noch viele Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.«
»Functional Clothing«
Neben dem entwicklungsfähigen 3D-Druck sind aktuell noch andere Zukunftstechnologien wie etwa digitale Schnittstellen in der Kleidung im Gespräch. So sind »Functional Clothing« und »Wearable Technology« zwei Schlagworte für neue Produktwelten, die in den kommenden Jahren einen wachsenden Anteil der Produktion ausmachen werden. Noch sind Aufwand und Kosten sowohl bei der Produktion als auch bei der Wartung und Pflege dieser Kleidung enorm.
»Hier sehe ich, wenn wir zum Beispiel das Thema Messung von Vitalwerten betrachten, aktuell vorhandene Technologien wie die Smartwatch eindeutig vorn«, so Jan Kuntze und liefert ein Beispiel: »Vor Jahren habe ich Schutzkleidung für Feuerwehrleute gesehen, auf der LED-Leuchten angebracht waren. Diese zeigten die Innentemperatur der Kleidung an – um beispielsweise bei großer Wärmeentwicklung ein Kreislaufversagen der Feuerwehrleute zu vermeiden. Leuchtete die LED grün, ist alles in Ordnung. Rot führte zum Einsatzabbruch. Solche Funktionen übernehmen heute Technologien wie die Smartwatch.«
Dennoch bietet die digitale Technologie viele Möglichkeiten. Gerade bei der Schutzkleidung und anderen Artikeln aus dem PSA-Sortiment, ist es von Vorteil, wenn Sensoren bei bestimmten Ereignissen und Gefahren Alarm schlagen. Beispiel Schweißerschutzkleidung: »Wenn bei starker Hitzeeinwirkung das Gewebe verletzt wird, könnte ein automatischer Alarm erfolgen – das würde Sinn machen. Und das ist so innovativ wie auch realisierbar.« Laut dem Experten ist es heute schon möglich, entsprechende Metallfäden in das Gewebe einzuarbeiten und miteinander so zu verknüpfen, dass diese, wenn sie kurzschließen oder auch reißen, ein Warnsignal abgeben.
Kleidung, die sich selbst repariert
Innovativ wäre es allerdings, wenn Fehler in solch einer Schutzkleidung nicht nur gemeldet, sondern auch gleich behoben würden. Tatsächlich sind in absehbarer Zukunft Gewebe denkbar, die sich selbstständig reparieren. Wie das? »Etwa, wenn im Gewebe ein Loch entstanden ist, das eine Sicherheitslücke offenbart. Wenn dann entsprechend eingearbeitete Substanzen aufquellen, die das Loch selbstständig schließen, würde dies zusätzliche Sicherheit bringen. Beispiel Gewebe mit ›GoreTex‹ – wenn sich die hier eingesetzten Membrane bei Verletzungen von alleine mithilfe bereits eingearbeiteter Stoffe reparieren könnten – und mögliche Löcher und Risse verschwinden «, so Jan Kuntze. Aber das sei noch Wunschdenken.
Diskussionswürdig sei auch das Thema Datenschutz, wenn es um digitale Zukunftstechnologien bei der Berufskleidung gehe. Schließlich gelte es auch hier noch viele Fragen zu klären. Jan Kuntze: »Grundsätzlich besteht bei Einsatz digitaler, in die Kleidung integrierter Elemente immer die Möglichkeit einer Überwachung – etwa welche Räume ein Mitarbeiter betritt oder wie lange er am Kaffeeautomaten steht. Darum setzt der DBL-Verbund weiterhin auf den Barcode.« Für ihn immer noch ein zeitgemäßes Mittel, um Kleidung für einen Träger zu personalisieren, ohne dass sensible Daten von Dritten auslesbar sind. m