Weitsichtige unternehmerische Entscheidungen haben dafür gesorgt, dass aus der einstigen Lohnfertigung für Schuhe verschiedener Marken ein Hersteller innovativer Sicherheitsschuhe und -stiefel wurde, die nicht nur auf der Baustelle vertreten sind: Längst hat sich HAIX als Ausrüster für Feuerwehr und Polizei, Militär und Rettungsdienste weltweit einen Namen gemacht. Das Familienunternehmen setzt dabei auf bayerische Qualität »Made in Europe« und fertigt inzwischen bis zu 10 000 Paar Schuhe am Tag – Tendenz steigend, sagt Ewald Haimerl, der das Unternehmen in zweiter Generation führt. Nebenbei engagiert er sich ehrenamtlich bei der örtlichen Feuerwehr, deren Kommandant er inzwischen ist. Wie dieses Engagement und der unternehmerische Erfolg zusammenhängen, hat die bauSICHERHEIT bei einem Besuch am Firmensitz in Mainburg erfahren.
Die Unternehmenszentrale nördlich von München liegt im Herzen der Hallertau, dem größten zusammenhängenden Hopfenanbaugebiet der Welt. Doch in Mainburg schießen nicht nur die Hopfenranken in die Höhe: Auch die Umsätze von HAIX legen kräftig zu. »In den vergangenen 15 Jahren hatten wir fast immer ein zweistelliges Wachstum«, erläutert Haimerl. Dahinter steckt eine außergewöhnliche Unternehmensphilosophie mit einer unternehmerischen Weitsicht, die nicht den Eindruck entstehen lässt, als existiere das Unternehmen erst seit 70 Jahren und in der zweiten Generation.
100 % »Made in Europe« mit Fertigung in Kroatien
Wie für die meisten Hersteller ist es auch für HAIX unrentabel, Schuhe in großen Stückzahlen in Deutschland zu fertigen. Seit 2010 produziert der Spezialist für Hightech am Fuß auch in Kroatien, wo eine der weltweit modernsten Produktionsstätten für Funktionsschuhe entstanden ist. Gefertigt werde bayerische Qualität nach »Made in Europe«-Standard, erklärt Haimerl. Zwar sei das Lohnniveau niedriger, keinesfalls aber die Wertschätzung, betont er: »An beiden Standorten gelten gleiche Standards für die Mitarbeiter, wobei es die mehr als tausend Kollegen in Kroatien in mancherlei Hinsicht fast ein bisschen besser haben: Die Fertigungsanlagen sind gerade erst gebaut worden und in den klimatisierten Hallen läuft sogar Musik.«
Wichtig ist ihm, dass nicht irgendwo auf der Welt produzierte Einzelteile lediglich in Europa zusammengesetzt und dann mit einem Logo versehen werden. »Wir garantieren, dass der Schuh zu 100 % in Europa gefertigt ist und alle Einzelteile vom Schaft bis zur Sohle komplett aus Ländern der Europäischen Union stammen«, sagt Haimerl.
Die Produktionskapazitäten in Kroatien wurden im Jahr 2014 nochmals erweitert und im Örtchen Mala Subotica nahe der slowenischen Grenze ist HAIX schon lange der größte Arbeitgeber. Im Jahr 2016 wurden dort zwei weitere neue Werke in Betrieb genommen und 250 neue Stellen geschaffen. In Mainburg wurde im gleichen Jahr ein neues Logistikzentrum errichtet, das den weltweiten Vertrieb optimiert und beschleunigt.
Hauseigener Reparaturservice
In der Unternehmenszentrale sind es mehr als 250 Mitarbeiter, die sich um Forschung & Entwicklung, Design, Marketing und den Vertrieb kümmern. Eine der Besonderheiten des Unternehmens zeigt sich beim Rundgang: Der Hersteller bietet auch einen hauseigenen Reparaturservice an. Etwa 250 Schuhe und Stiefel pro Woche kommen hier an, um beispielsweise eine neue Sohle zu bekommen. Aber auch andere Reparaturen werden hier schnell und fachmännisch vorgenommen. »Der Schuhmachermeister um die Ecke und auch der Minutendienst im Einkaufszentrum wären mit dieser Aufgabe überfordert, unter anderem weil die Sohle in den meisten Fällen geklebt ist«, erklärt Willi Kümpel, der als Schuhmacher-Meister die Produktion vor Ort koordiniert.
Für Firmenchef Haimerl und seine Mitarbeiter ist ein solcher Service nicht nur eine Frage der Nachhaltigkeit, sondern entspricht vielmehr der Art von Wertschätzung, die er seinen Mitarbeitern und Kunden ebenso entgegenbringt wie in besonderem Maße eben auch den Produkten, für die Haimerl und sein Unternehmen stehen. »Ein Schuh aus unserem Hause ist kein Wegwerfprodukt«, sagt er.
Genau diese Haltung hat im Jahr 1990 – Ewald Haimerl war als Schuhmachermeister im väterlichen Betrieb beschäftigt – zu einer besonderen Entwicklung im Wortsinn geführt: Als damals stellvertretender Kommandant der örtlichen Feuerwehr war er mit der Ausrüstung unzufrieden. Als Ersatz für die Standard-Gummistiefel, die er und seine Kameraden im Einsatz tragen mussten, hat er völlig neuartige, funktionelle Feuerwehrstiefel aus Leder entwickelt, die zwei Jahre später auf den Markt kamen und in einer späteren Entwicklungsstufe schließlich als erste Schuhe über einen »Gore-Tex«-Einsatz verfügten. Die Entwicklung traf mitten ins Schwarze: Es folgen Modelle für Rettungsdienst und Polizei, auch das Militär wurde schnell auf die Funktionsschuhe aufmerksam.
Mit der Nähe zu Blaulicht-Themen und seinem Ehrenamt bei der Feuerwehr hat sich Ewald Haimerl damit die Tür zu seinem ursprünglichen Berufswunsch ein wenig offengehalten: Eigentlich wollte er nämlich zur Polizei. »Unsere Schuhe haben schnell Liebhaber gefunden bei allen, die mit Blaulicht zu tun haben oder eine Waffe tragen«, sagt Haimerl. Es folgten weitere spezialisierte Modelle für Wald und Forst, die offenbar eine Lücke geschlossen haben und deshalb ebenso erfolgreich sind.
Mit einem Mini-Stand auf der Weltleitmesse
Schuhe für den Baubereich, die mit dickerem Leder im Klebeverfahren hergestellt werden, sind ebenso rasch ins Sortiment gekommen wie leichtere Schuhe bis 2 mm, die im Spritzverfahren hergestellt werden und sich aufgrund ihrer rutschfesten Sohle mit Leiter-Profil für Arbeiten in der Höhe und Kletterei gut eignen. Für die Baustelle, wo Rutschfestigkeit, Durchtrittschutz und Sicherheitskappe ein Muss sind, hat HAIX die »Airpower«-Modelle im Sortiment (die bauSICHERHEIT berichtete in Heft 2/18, Seite 43). »Die Arbeit auf dem Bau verlangt nach Schuhen ohne Nähte«, fasst Haimerl zusammen.
Im Jahr 1993 präsentiert HAIX sein Sortiment erstmals auf der Düsseldorfer A+A, der Weltleitmesse für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. »Wir hatten einen Messestand von 20 m², den ich damals noch selbst aufgebaut habe«, erinnert sich der Firmenchef. Haimerl, der viele seiner Mitarbeiter persönlich kennt, mit den Abläufen in seinem Unternehmen bestens vertraut ist und den Eindruck macht, als würde er hin und wieder selber einfach Hand anlegen und gemeinsam mit seinen Mitarbeitern am Unternehmensziel arbeiten.
Motivierte Mitarbeiter statt Nachwuchssorgen
Welche das sind, halten er und seine drei Kollegen aus der Gesamtgeschäftsführung in Businessplänen fest. »Als Familienunternehmen schreiben wir die für uns und unsere Mitarbeiter, nicht für die Banken«, fasst er das Werk zusammen, das gemeinsam mit Helga van Saan (zuständig für Personal & HAIX Nordamerika), Josef Cremer (Technik & Controlling) sowie Stefan Amberger (Immobilien & Finanzen) alle vier bis fünf Jahre entsteht. Sämtliche Mitarbeiter bekommen den Plan in einem persönlichen Gespräch vorgestellt – »zwar nicht in allen Details, aber so, dass jeder weiß, wie unsere nähere Zukunft aussieht«, erläutert Haimerl.
Dass das Unternehmen auch hier neue Wege beschreitet, zahlt sich aus: Die Mitarbeiter, viele davon überdurchschnittlich jung, tragen nicht nur allesamt mit Stolz und Überzeugung die Schuhe aus der eigenen Produktion, sondern sind motiviert bei der Sache und jederzeit bereit, ihren Beitrag zum gemeinsamen Erfolg zu leisten. Als Dank für derlei Engagement gibt es Leistungen wie Wasserstationen überall in den Gebäuden, kostenloses Obst oder Übernahme bzw. einen Zuschuss für die Kosten der örtlichen Fitness-Studios. »In einer Region wie hier, die mit einer Arbeitslosenquote von nur 2,1 % quasi Vollbeschäftigung hat, muss man sich etwas einfallen lassen, um an die guten Leute zu kommen«, sagt Ewald Haimerl.
Unternehmerische Weitsicht zahlt sich heute aus
Der Geschäftsführer und Sohn des Gründers trifft Entscheidungen stets sehr vorausschauend: Was heute angepackt wird, ist bereits in die Zukunft gedacht – und was heute Erfolg hat, ist das Ergebnis von Ideen, die zum Teil weit in der Vergangenheit entstanden sind. Die »HAIX-Ausbildungsoffensive« ist so ein Beispiel: Erstmals vor zwölf Jahren gestartet und stetig weiterentwickelt, sichert sich das Unternehmen mit dem inzwischen »Adventure Days« genannten Event einen Vorsprung im Rennen um Auszubildende. Diese bewerben sich für das dreitägige Abenteuer, bei dem es um Floßbau genauso geht wie um das gemeinsame Erforschen einer Höhle oder das Erstellen einer Collage, die am Ende präsentiert werden muss. Am Ende zeigt sich, wer Verantwortungsbewusstsein, Teamgeist und Kommunikationsfähigkeit hat sowie die nötige Ausdauer, um eine Ausbildung oder ein Duales Studium zu durchlaufen. Erstmals seit langem konnten in diesem Jahr wieder alle freien Ausbildungsplätze besetzt werden, was an der »außergewöhnlichen Qualität
des Bewerberjahrgangs« liegt, weiß Haimerl: Auf 18 Plätze kamen 18 Bewerber, die es alle geschafft haben – eine absolute Ausnahme, wie er sagt. »Ich war komplett begeistert und habe nach der Veranstaltung den Eltern gratuliert zu ihrem gelungenen Nachwuchs«, sagt Haimerl, selbst Vater von vier inzwischen erwachsenen Kindern.
An der Lösung für die Frage, wie sich junge Menschen für das Unternehmen gewinnen lassen, ist bei HAIX der Nachwuchs selbst beteiligt: Ein ausgelernter Azubi, der heute die Personalabteilung unterstützt, hat in einer Projektarbeit unter dem Motto »Azubis werben Azubis« das Konzept entwickelt für die »Berufs-Info-Tage«, bei denen das Unternehmen seinen eigenen Auszubildenden ins Rennen um ihresgleichen schickt: An Schulen informieren sie Gleichaltrige über die Möglichkeiten einer gewerblichen und kaufmännischen Ausbildung sowie des Dualen Studiums und stellen das Unternehmen vor. Mit Erfolg: Mit insgesamt 60 Auszubildenden steht HAIX in Sachen Nachwuchs gut da.
Die Zukunft fest im Blick
Das Logistikzentrum, das nach nur neunmonatiger Bauzeit im Jahr 2017 seinen Betrieb aufgenommen hat, wurde ebenfalls mit Blick in die Zukunft geplant. Kurz nach Fertigstellung laufen bereits die Berechnungen für »Phase II«: Lagerhaltung und weltweiter Vertrieb, die steigende Zahl von Rohstoffen, die wachsende Sortimentsvielfalt und nicht zuletzt das auf der A+A 2017 erstmals vorgestellte neue Sortiment der »HAIX Wear«-Kollektion (bauSICHERHEIT 6/18, Seite 32) lassen eine rasche Erweiterung der Kapazitäten sinnvoll erscheinen. »Die gesamte Infrastruktur des Neubaus, ob Löschwasser oder Elektrik, ist bereits auf eine spätere Erweiterung ausgelegt und entsprechend geplant«, erläutert Haimerl.
Gleichzeitig haben auch die Bauarbeiten für ein Projekt begonnen, das Haimerl schon lange ein großes Anliegen ist: Die »HAIX-World«. Hier sollen der bislang außerhalb des Werksgeländes gelegene Outletshop, ein kleines Museum und ein Schulungszentrum eine neue Heimat finden. Besuchergruppen können dann durch große Panoramascheiben einen Blick werfen in die »Gläserne Manufaktur« und dabei zuschauen, wie in Mainburg Funktionsschuhe gefertigt werden. Auf einem Miniatur-Testgelände innerhalb des Shops können Kunden dann auch direkt ausprobieren, wie sich die Schuhe an Geröllhang, Böschung und auf verschiedenen Untergründen verhalten.
Doch es wäre nicht HAIX, wenn die Planungen nicht noch viel weiter in die Zukunft reichten: Spätestens in etwas mehr als zehn Jahren will Ewald Haimerl die Geschäfte an seine drei Söhne übergeben, von denen zwei seit diesem August im Unternehmen mitarbeiten. So jedenfalls beschreibt es die »Vision 2030«, die Haimerl schon jetzt in der Schublade liegen hat. Seine Tochter will indes nicht in die Unternehmensnachfolge einsteigen: Sie hat den einstigen Berufswunsch ihres Vaters für sich leicht abgewandelt und arbeitet erfolgreich im Rettungswesen… a