GenXtreme: »Wir sind kein Online-Shop, sondern Fachhändler auf allen Kanälen«

Im Jahr 2010 haben Martin Reichle und ein Mitstreiter in Kaufbeuren (Ostallgäu) das Unternehmen GenXtreme gegründet. Angetrieben vom Wunsch, Handwerkern beim Kauf von Berufskleidung und Sicherheitsschuhen mehr Service zu bieten als bis dahin üblich, hat sich das Unternehmen von den Anfängen im heimischen Wohnzimmer nach mehreren Umzügen jedes Mal vergrößert und dabei zu einer bekannten Adresse entwickelt – sowohl mit einem außergewöhnlichen Store für Kunden aus der Region als auch überregional bei Online-Käufern. Die Start-up-Atmosphäre ist dabei erhalten geblieben.

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Inzwischen verfügt das Unternehmen am Stammsitz im Gewerbegebiet Kaufbeuren über 800 m² Platz für Verwaltung und Store sowie ein separates Lager. Mehr als 70 000 Handwerker beliefert Martin Reichles Unternehmen regelmäßig mit neuen Sicherheitsschuhen, schnittfesten Hosen oder Funktionsjacken. Die 30 überwiegend jungen Mitarbeiter verbreiten nach wie vor Start-up-Atmosphäre, die laut Gründer und Inhaber Reichle ein wesentlicher Teil der Unternehmenskultur ist.

In seinem früheren Berufsleben war er als Verkäufer und Außendienstler im technischen Handel unterwegs. In dieser Zeit hat er viel über die Bedürfnisse der Handwerker gelernt und vieles erlebt aus der Kategorie »so macht man’s nicht«, berichtet Reichle im Gespräch mit der bauSICHERHEIT. Das war einer der Gründe, eine eigene Firma zu gründen. Heute profitiert er von dem großen Netzwerk und vielen Kontakten zu Herstellern aus dieser Zeit.

Sortiment sorgt für Übersicht

»Wir sind kein Online-Shop, sondern ein Fachhändler, der auf allen Kanälen aktiv ist«, bringt Reichle seine Mission auf den Punkt. Als Zielgruppe für das Angebot von GenXtreme nennt er »moderne Handwerker«. Damit meint er neben den ausgewiesenen Profis auf der Baustelle auch den einen oder anderen fast-professionellen Heimwerker, gleichzeitig soll das Angebot mit dem Bereich Outdoor eine wichtige Schnittstelle zwischen Beruf und Hobby besetzen. Dabei setzen die Macher auf eine frische und offene Kommunikation auf Augenhöhe, »ehrlich und ohne Schnörkel«, so Reichle. Dazu gehört, dass man sich nicht nur intern duzt.

Auch, wer den mit viel Herzblut gestalteten Shop betritt, wird mit dem von der Baustelle vertrauten »Du« angesprochen. Auf der noch nicht zu 100 % fertiggestellten Verkaufsfläche findet sich der Großteil des Sortiments an Workwear sowie Sicherheitsschuhen und -ausrüstung, klar gegliedert nach Anwendung oder auch nach Hersteller und Herkunft. Neben Klassikern wie Haix, Elten, Protos und Kübler sind auch Marken vertreten wie »Carhartt«, die mit Mode für Individualisten wie Musiker und Sportler eine größere Bekanntheit er­reicht hat als mit ihren eigentlichen Wurzeln im Bereich Arbeitskleidung.

Bei der anspruchsvollen Präsentation orientieren sich die eigenen Ideen am Bedarf der Handwerker und treffen dabei auf die Unterstützung der Hersteller, mit denen die Kaufbeurer eng zusammenarbeiten. Dabei beschränkt sich GenXtreme auf 24 Marken. »Wir reduzieren damit das Sortiment, nicht aber Vielfalt und Qualität«, sagt Martin Reichle. Dabei werden 80 % des Umsatzes von 20 % des Sortiments eingespielt – was sich positiv auf Liefertempo und -qualität auswirkt, wie CMO Jan Koenigs ergänzt: »Wer bis 15 Uhr bestellt, hat normalerweise am Folgetag seine Lieferung.« Die erfolgt ab einem Einkaufswert von 100 Euro versandkostenfrei bei 90 Tagen Rückgaberecht und Gratisrücksendung. Dennoch sei die Retouren-Quote erfreulich gering: »Online-Händler wie Zalando bekommen 60 % bis 70 % von allem, was rausgeht, wieder zurück«, sagt Reichle. Bei GenXtreme sei es weniger als die Hälfte davon.


Online Hürden überwinden

Zum Gesamtergebnis trägt der Store am Unternehmenssitz nur geringfügig bei: »Am Umsatz hat der Laden einen Anteil von vielleicht 5 %«, erklärt Unternehmensmitgründer Jan Koenigs, bei GenXtreme für das Marketing zuständig. »Aber für das Gesamtkonzept ist es erstens wichtig, dass unsere Mitarbeiter die Ware auch einmal außerhalb ihrer Verpackung gesehen haben. Zweitens lernen wir so unsere Kunden besser kennen. Und ebenso werden hier neue Vertriebsmodelle, wie die individuelle Fußvermessung oder andere Offline-to-online-Konzepte getestet.« Das Unternehmen legt großen Wert darauf, mit einem zielgerichteten Sortiment die Handwerker anzusprechen, die entweder schon Kunden sind oder vielleicht bald werden könnten. »Wir holen das Handwerk da ab, wo es uns finden will«, sagt Koenigs. »Wir kommen aus der Branche und sind dabei zwar sehr internetaffin, aber nicht jeder Handwerksbetrieb ist Internet-Käufer«, er­gänzt er. Derlei Hürden sollen auch die Mitarbeiter der Bestell- und Beratungs-Hotline überwinden helfen. »Zur guten Performance und damit zum Erfolg trägt bei, dass wir hier keinen Aufwand scheuen«, sagt Alwina Straub, als CFO zuständig für die Bereiche Finanzen und Personal. Die Service-Hotline von GenXtreme besteht aus eigenen Mitarbeitern, die in unmittelbarer Nähe zum realen Shop sitzen und im Bedarfsfall einen Artikel einfach holen und selbst in die Hand nehmen können, um wirklich jede Frage zu beantworten – auf Augenhöhe, versteht sich, und auch bei Anrufern im vertrauten »Du«.

Kundenbedürfnisse erkennen

»Die Kunden empfinden das als große Wertschätzung, dass wir mit ihren Fragen, aber auch ihren Reklamationen so sorgfältig umgehen und sie dafür nicht viel Zeit aufbringen müssen«, erläutert Straub. Dennoch setzt GenXtreme in Sachen Kundennähe und Service auf eine Ansprache auf mehreren Kanälen, deren Mix nicht nur bei den Käufern in Kaufbeuren gut ankommt, sondern auch bei Online-Kunden und allen, die auf elektronischen Plattformen wie Twitter, Instagram, Pinterest und anderen mit dem Unternehmen verbunden sind. Bei Facebook legen weit mehr als 60 000 Follower inzwischen den Schluss nahe, dass sich die Branche dem Online-Segment doch nach und nach öffnet. Wenn es um Weiterempfehlung geht, um Rückmeldungen zu Produkten oder Anwenderfotos, ist man sich in Kaufbeuren mehr als anderswo der Wichtigkeit dieser Kanäle bewusst – nicht nur, weil die Kommunikation in beide Richtungen möglich ist, sondern auch, weil sich so auch ein vollständigeres Bild vom Online-Kunden ergibt.

Dabei, das wird im Gespräch immer wieder deutlich, gehe es »um neue Wege und nicht darum, den Kunden auszuspähen oder ihn seiner Daten zu berauben«, betont Koenigs. Reichle vergleicht derlei Auswertungen eher mit dem Gang zum Bäcker, wo man es als regelmäßiger Kunde ja auch zu schätzen wisse, wenn man mit Namen angesprochen wird und die eigenen Vorlieben bekannt sind. Als Beispiel für »neue Wege« nennt er eine Kooperation mit Uvex: In einem bislang einmaligen Projekt ist es nun erstmals möglich, mithilfe eines von GenXtreme-IT-Experten entwickelten Konfigurators Schutzbrillen in Sehstärke online zu bestellen. »Wir machen eben vieles anders als andere«, fasst Martin Reichle sein Credo zusammen.

Mit dieser Einstellung ist der Unternehmensgründer mittlerweile auch ein gefragter Referent, wenn es darum geht, vor der IHK den Unternehmerkollegen das Rätsel um den Kunden und seine Wünsche zu entschlüsseln oder der Stadt Kaufbeuren Tipps zu geben, wie sich weitere Unternehmensgründer anlocken lassen könnten. Die Begeisterungsfähigkeit, die er ausstrahlt, und seine Offenheit für Neues machen deutlich, dass bei Martin Reichle das Start-up-Feeling keine temporäre Erscheinung ist. Es verkörpert eine Einstellung, die weit über die eigentliche Gründungsphase hinausreicht.     a

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